Wir haben Jürgen Engelberth vom Bundesverband für die Immobilienwirtschaft (BVFI) gefragt, wie die Zukunft auf dem Immobilienmarkt aussieht. Seine Antworten zeigen enorme Chancen und Perspektiven für die Branche, lassen aber auch die möglichen Risiken im Immobilienmarkt nicht außen vor.

OCM: Hallo Herr Engelberth. In den letzten 10 Jahren sind die Immobilienpreise enorm angestiegen, teilweise um 50 % oder sogar bis zu 100 %. Muss man bei so enormen Preisanstiegen nicht automatisch von einer drohenden Immobilienblase ausgehen? 

Engelberth: Natürlich könnte man so denken, aber zunächst muss man auch schauen, wo der Immobilienmarkt in den letzten Jahren stand. Vor 10 Jahren hatten wir einen völlig unterbewerteten Markt. Der Immobilie wurde politisch jede Attraktivität entzogen und alle Steuerförderungen abgeschafft. Ein §7b oder auch der §10e und alles was es an sinnvoller Förderung gab, wurde ersatzlos gestrichen.

Mal abgesehen von manchen Phantasieangeboten im Markt, sind wir aktuell wohl eher auf einer realistischen Bewertung von Immobilien angekommen. Und wenn man zum Beispiel die Preise der Hotspots wie München, Berlin, Hamburg oder Köln mit internationalen Metropolen vergleicht, sind die Preise im Verhältnis sogar immer noch sehr günstig. Das ist auch ein Grund, warum internationale Investoren in diesen Städten immer noch gerne zuschlagen. Hier von Blasenbildungen zu sprechen wäre sehr weit hergeholt.

OCM: Sie sprechen auch von behördlichen Bürokratisierungen, die die Preissituation verschärfen. Was meinen Sie genau:

Engelberth: Am besten kann man das sicherlich mit Bauvorhaben erklären, die in der öffentlichen Hand liegen. Bauvorhaben, die in ihrer eigenen Bürokratie quasi untergehen oder untergegangen sind. Nehmen wir nur mal die berühmteren Projekte der letzten Jahre, wie den Flughafen Berlin, den Bahnhof Stuttgart 21, die Philharmonie in Hamburg oder die Leverkusener Brücke in Köln.

Und nein, das sind keine Einzelfälle. Ein solches kollektives Projektversagen ist die Regel bei öffentlichen Bauvorhaben: Sie fahren voll vor die Wand. Baukosten steigen um bis zu 1.000 % oder mehr und Bauzeiten verlängern sich um ein Vielfaches.

OCM: Aber wo ist da der Zusammenhang mit der Wohnungswirtschaft?

Engelberth: Hier könnte man sicherlich eine Menge an Beispielen aufführen. Exemplarisch würde ich hier mal 2 benennen wollen:

Die Landesbauordnungen: Wir haben 16 Bundesländer und somit auch 16 unterschiedliche Bauverordnungen, die sich teilweise sogar widersprechen. Da macht das Saarland was anderes als Rheinlandpfalz. Die Logik soll mir mal einer erklären. So etwas passt in moderne Zeiten der Digitalisierung und des grenzenlosen Internets überhaupt nicht mehr. Föderalismus ist zwar grundsätzlich eine gute Sache. Aber im Moment leben wir in einem Föderalismus des letzten Jahrhunderts. Die Behörden haben den digitalen Strukturwandel leider völlig verpasst.

Aber das allerschlimmste ist, dass jedes Bauvorhaben erst einmal, durch ein öffentliches Verfahren geführt werden muss. Sehen Sie, es beginnt natürlich zunächst immer mit dem Grundstück und mit einem Flächennutzungsplan für Gebiete in denen gebaut werden soll. Irgendwann werden dann diese Gebiete zu Bauerwartungsland erklärt (i.d.R. kann allein diese Beantragung schon 10 oder mehr Jahre dauern). Sollte das Grundstück dann alle Kriterien erfüllen, geht es an die Bebauungsplan-Plan-Erstellung, kurz B-Plan. In dieser Phase kommt es dann noch zu Bürgerbefragungen, die dann jeweils von grünen Kräften zur Verhinderung genutzt werden.

So kann es 30-40 Jahre dauern, bis auf einer Wiese am Stadtrand ein Baubeginn erfolgen kann. Solche Projektlaufzeiten verhindern es aber, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Alles in allem gibt es viele Puzzle-Teile, die in Ihrer Gesamtheit dafür gesorgt haben, dass der Immobilienmarkt ins Wanken geraten ist und das Angebot an Wohnimmobilien den Bedarf bei Weitem nicht decken kann.

Jürgen Engelberth (BVFI)

OCM: Spielt dabei auch die fehlende Digitalisierung der Behörden eine Rolle?

Engelberth: Aber natürlich, und sicherlich auch nicht nur eine kleine Rolle. Unsere Behörden sind eben immer noch Verwaltungen aus dem letzten Jahrtausend.

Architekten und Statiker planen ihre Bauvorhaben komplett digital. Am Ende müssen diese dann, teilweise immer noch, auf ein Stück Papier ausgedruckt werden, um sie bei den Behörden einzureichen. Und wenn Sie Pech haben, diese Beispiele gibt es tatsächlich, dann bleibt der Bauantrag eben auch noch 3 Monate in der Poststelle liegen. Die fehlende Digitalisierung in den Behörden, behindert den nötigen dynamischen Zuwachs an Neubauvorhaben. Aber das trifft ja nicht nur unsere Branche, das trifft alle Branchen. Und hier ist die Politik enorm gefordert.

OCM: Ist es aber nicht so, dass wir keine weiteren Flächen versiegeln dürfen und wir die Baumaßnahmen eigentlich zurückführen müssten? Stichwort Klimaschutz.

Engelberth: Natürlich müssen wir jedem Bauvorhaben, noch viel mehr als früher, auch eine entsprechende Ökologie zukommen lassen, nicht nur, was energetische Bauweisen und Baustoffe angeht. Natürlich müssen auch klimatische Gegebenheiten stärker berücksichtigt werden, wie uns die letzten Starkregenereignisse deutlich gemacht haben. Die Bauindustrie ist dabei auf einem guten Weg und liefert ständig neue Innovationen.

Aber letztlich müssen wir in erster Linie dafür sorgen, dass Menschen wohnen können. In Deutschland ist man in den 80ern davon ausgegangen, dass die Bevölkerung auf 60. Millionen Einwohner schrumpfen würde. Tatsächlich sind wir aber mittlerweile auf über 83 Millionen Einwohner angewachsen und die Statistiken zeigen ein jährliches weiteres Wachstum von zurzeit etwa 300.000 Einwohnern p.a.

Und auch wenn man die Weltbevölkerung betrachtet, die in den nächsten zwanzig Jahren von bisher ca. 8 Mrd. Menschen, um ein weiteres Viertel auf über 10 Mrd. Menschen anwachsen wird, kann man nicht davon ausgehen, dass Deutschland von diesen Entwicklungen verschont bleiben wird. Auch hier müssen wir davon ausgehen, dass die Anzahl der Bewohner in Deutschland, um bis zu 20 % anwachsen wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir mehr Wohnraum benötigen. Denn wir können die Menschen ja nicht alle einfach obdachlos unter der Brücke schlafen lassen. Fehlender Wohnraum und der fehlende Platz für Menschen, ist aktuell bereits ein großes Problem. Innerhalb der nächsten 20 Jahre wird es aber ein riesiges Problem.

OCM: Die Politik hat im letzten Jahr stolz verkündet, dass 300.000 Neubauwohnungen fertiggestellt wurden. Ist das denn nicht vollkommen ausreichend?

Engelberth: Die Zahl allein betrachtet, hört sich ja wunderschön an. In den 70er und 80er Jahren wurden aber jedes Jahr bis zu 700.000 neue Wohnungen geschaffen. Aber nehmen wir einfach mal die Mathematik.

Wenn wir in den nächsten 20 Jahren einen Bevölkerungszuwachs von nur 10 Millionen erwarten würden, dann bräuchten wir einen Nettozuwachs von mindestens 500.000 Wohnungen pro Jahr.

OCM: Was genau meinen Sie mit Nettozuwachs?

Engelberth: Naja, nicht jede neu gebaute Wohnung bedeutet, dass wir eine Wohnung mehr haben. Wir müssen vielmehr berücksichtigen, dass wir auch Wohnungen aus dem Bestand heraus verlieren. Betrachten wir einmal den Lebenszyklus einer Immobilie, der normalerweise, im Übrigen auch bei Bankbewertungen, nur 100 Jahre beträgt. Danach müssen die Gebäude komplett kernsaniert, revitalisiert oder abgerissen werden. Teilweise erreichen Gebäude aber auch nur einen Lebenszyklus von 50 Jahren.

Nach dem Krieg bis heute wurden durchschnittlich 300- bis 700.000 Wohnungen jährlich gebaut. Das bedeutet, dass wir die gleiche Anzahl an Wohnungen auch wieder, durch den normalen Lebenszyklus, pro Jahr verlieren. Durch die im letzten Jahr 300.000 fertiggestellten Wohnungen, haben wir also keine einzige Wohnung mehr als im Vorjahr.

Mit anderen Worten: Um eine Entspannung am Wohnungsmarkt zu erreichen, müssten wir in Deutschland mindestens 700.000 bis eine Millionen Wohnungen jährlich bauen, um einem echten auf uns zukommenden Wohnungsnotstand zu begegnen. Und solange wir einen Wohnungsnotstand haben und diesen behalten, werden auch die Preise weder für Neubau noch für die Mieten sinken können. Hier regelt nun mal Angebot und Nachfrage den Preis.

OCM: In Berlin gibt es angeblich 50.000 genehmigte Wohnungen, die aus Spekulationsgründen nicht gebaut werden. Wie sehen Sie die Situation?

Engelberth: Berlin ist ein wunderbares Beispiel für ein völliges Behördenversagen im Wohnungsbau. Es ist nicht so, dass dort aus Spekulationsgründen nicht gebaut wird. Jeder Bauunternehmer will natürlich bauen, ansonsten verdient er ja kein Geld.

Allerdings sind die Investoren und Projektgesellschaften, aufgrund der rot-rot-grünen Regierung von Mietendeckel, Mietpreisbremse, Enteignungen, Aufteilungsverboten und anderen Eigentumsbeschränkungen bedroht. Ich kann daher sehr gut nachvollziehen, dass Investoren dort nicht mehr investieren wollen. Da ist eine Regierung vor Ort, die jegliches wirtschaftliches Handeln behindert und sich dann darüber beschwert, das zu wenig gebaut wird. Also mir fehlen dazu die Worte.

Und anstatt weiter in sozialen Wohnungsbau zu investieren, hat gerade Berlin die größten Teile seines Wohnungsbestandes in den letzten Jahrzehnten verkauft. Und jetzt wollen sie durch Enteignungen Ihre eigenen Fehler wieder korrigieren. Das nenn ich mal vertrauenswürdiger Staat.

OCM: Wie lautet nun Ihr Resümee? Immobilienblase oder doch nur eine Seifenblase?

Engelberth: Wenn man alle Faktoren berücksichtigt, ist es so, dass die Nachfrage nach Immobilien, innerhalb der nächsten 10 Jahre nicht durch das Angebot gedeckt werden kann. Selbst wenn einzelne Faktoren, nicht so wie skizziert, eintreffen werden, wird es in der Gesamtheit nicht möglich sein den Bedarf zu decken.

Das bedeutet automatisch, dass sich die Preise auch weiterhin konstant nach oben entwickeln werden. Wer also heute in Immobilien investiert, muss sich über eine Sachwertrendite für die Zukunft keine Sorgen machen. Das zeigen auch die vielen ausländischen Investoren, die aktuell auch in Schwerpunktmärkte investieren, selbst wenn nur 1% oder weniger Mietrendite erzielt werden können. Im Moment verliert bei Investoren die sogenannte Mietrendite immer mehr an Bedeutung. Das was zählt, ist die dauerhafte Sachwertrendite und Wertstabilität von Immobilien.

Die Preise werden daher aus meiner Sicht, in den nächsten Jahren nicht nur nicht sinken, sondern auch weiterhin konstant ansteigen. Allein aus dem Gesetz von Angebot und Nachfrage heraus. Auch wenn die Preise sicherlich nicht mehr so schnell ansteigen wie in den letzten 10 Jahren. Ein Platzen einer Immobilienblase wird es aber in Deutschland nicht geben.  

OCM: Welche Auswirkungen erwarten Sie durch die vorgenannten Entwicklungen auf die Immobilien-Makler Branche?

Engelberth: Der Immobilienmarkt bleibt weiterhin konstant. Da das Angebot aber niedrig bleibt wird die Objektakquisition für Immobilienmakler sicherlich schwieriger. Immobilienmakler mit hoher Leistungsqualität und guter Marktdurchdringung werden hiervon partizipieren und ihr Geschäft weiter ausbauen können.

Ich denke auch, dass sich die Quote zwischen Privatverkäufen und professionellem Immobilienhandel über Maklerunternehmen erheblich verändern wird. Genauso wie zum Beispiel im Automarkt. Der Privatverkauf wird in Zukunft nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.

OCM: Welche Maßnahmen sehen Sie und der BVFI als die Dringlichsten an?

Engelberth: Da sind zum einen echte Bedarfsanalysen für den zukünftigen Wohnungsbedarf, und zwar auch unter der Beachtung der weltweiten Bevölkerungsentwicklung. Als nächstes dann die Digitalisierung von Behörden und Erleichterungen bei den Baugenehmigungen. Gesetze aus dem Sommer 2021, mit den Erleichterungen bzw. der Beschleunigungen für Genehmigungsverfahren waren der erste richtige Ansatz. Nur die Umsetzung lässt noch sehr zu wünschen übrig.

Aber auch die Entwicklung neuer Wohnformen oder Bauformen werden mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Hier wird es unter anderem neue Entwicklungen in den Bereichen von Lebensgemeinschaften für junge Leute oder auch für Senioren geben.

Eins der wichtigsten Themen wird aber die Erhöhung der Eigentumsquote sein. Wir haben in Deutschland eine Eigentumsquote von lediglich ca. 50 %. Damit belegen wir innerhalb von Europa einen der letzten Plätze. Und dabei ist die Eigentumsquote der größte Garant gegen Altersarmut. Wer im Alter keine Miete mehr zahlen muss, kommt mit seiner Rente und seinem restlichen Einkommen und Vermögen einfach besser über die Runden. 

Es muss das politische Ziel sein, eine Eigentumsquote von mindestens 80-90 % zu erreichen, so wie es auch in anderen Ländern Europas üblich ist. Dafür haben wir mit dem BVFI und dem ersten deutschen Immobilclub eine Initiative für kostengünstiges Wohneigentum ins Leben gerufen. Denn gerade heute könnte fast Jeder seine Wohnimmobilien auch erwerben. Die benötigte Finanzierung ist aufgrund der niedrigen Zinsen, in fast allen Fällen günstiger als die Miete. Selbst bei den gestiegenen Immobilienpreisen.

Deshalb fordern wir ein staatliches Eigenkapitalersatzdarlehen, denn das Problem in der Finanzierung von Eigentum, liegt fast zu 100 % im fehlenden Eigenkapital. Deshalb winken die Banken bei Finanzierungsfragen meist ab. Mit einem Eigenkapitalersatzdarlehen aus der öffentlichen Hand würden sich diese Probleme sehr einfach lösen lassen, und zwar ohne die Staatskassen zu sehr zu belasten.

Auch sollte es eine Erleichterung bei der Aufteilung von Wohneigentum anstatt von gesetzlichen Verboten geben. Wir fordern daher, eine Aufhebung von gesetzlichen Einschränkungen bei Aufteilung von Wohnungseigentum. Denn damit wird Eigentumsbildung quasi gesetzlich verboten und verhindert.

Und nicht zuletzt geht es um die Grunderwerbsteuer, die der Staat bzw. die Länder in den letzten Jahren von ursprünglich 2 % auf teilweise 6,5 % erhöht hat. Wir fordern die Rücknahme dieser Steuererhöhungen, um Eigentumsbildungen zu erleichtern.

OCM: Wenn Sie die Eigentumsquote betrachten, wie steht die dann im Verhältnis zu einer Investment-Immobilie?

Engelberth: Die Frage ist einfach zu beantworten. Wenn ich zum Renteneintrittsalter oder zu welchem Alter auch immer, eine bezahlte Investment-Immobilie besitze, mit der 1.000 € Miete erziele, kann ich auch 1.000 € eigene Miete locker tragen. Das wird dann zu einem 0-Summenspiel. Und jeder der über ein Immobilien-Investment verfügt, erhöht somit automatisch auch die Eigentumsquote, selbst wenn das in der Statistik nicht gezählt würde. Faktisch ist es aber so.

OCM: Schlussfrage: Sollte man in Immobilien investieren?

Engelberth: Klare Antwort: Je früher desto besser. Die Immobilie und damit die Sachwertanlage ist z. Zt. die einzig sinnvolle und langfristig tragbare Kapitalanlage. Banken- und Versicherungsprodukte haben für das Investment ausgedient. Die Menschen müssen heute eigenverantwortlich ihr Vermögen aufbauen und sichern. Und das geht nur mit Sachwertvermögen, insbesondere bei aktuell steigenden Inflationsraten.

Inflation ist nichts anderes als die Vernichtung von Geld und Sparvermögen, während die gleiche Inflation, Immobilienwerte einfach permanent ansteigen lässt. Und deshalb sollte jeder in die Lage versetzt werden, in Immobilien investieren zu können. Egal, ob in die eigene Wohnimmobilie oder in eine Investment-Immobilie

OCM: Herr Engelberth, Ihnen vielen Dank für dieses offene Interview. 

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